Wer ältere Obstbäume in seinem Garten hat, hat vermutlich schon Flechten daran gefunden. Diese äußern sich meist in einem grau-weißlich bis gelblichen Belag, der ganze Äste, ja sogar den Stamm überziehen kann. Optisch sieht es nicht besonders schön aus, doch das ist das kleinste Problem. Denn viele Gärtner fragen sich berechtigt, ob diese Flechten dem Baum schaden können.
Was sind Flechten?
Sehen wir doch zuerst einmal, was Flechten eigentlich genau sind. Dabei handelt es sich um symbiotische Organismen, die aus einer engen Partnerschaft zwischen Pilzen und Algen bestehen. Sie wachsen oft auf Baumrinden, aber auch auf Felsen oder auf dem Boden und können eine Vielzahl von Formen und Farben aufweisen. Die pilzliche Komponente der Flechte bildet eine schützende Struktur, während die Algen Fotosynthese betreiben und dadurch Nährstoffe für beide Partner produzieren. Flechten sind bemerkenswert widerstandsfähig gegen extrem raue Umweltbedingungen und können in Gebieten mit niedrigen Temperaturen, Trockenheit und hoher Luftverschmutzung gedeihen.
Welche Aufgaben haben Flechten?
Auch wenn sie unscheinbar wirken und augenscheinlich keine Aufgaben haben, sind Flechten für Natur, Umwelt, Tiere und andere Organismen von großer Bedeutung:
- Luftqualität und Umweltindikatoren: Flechten sind empfindlich gegenüber Luftverschmutzung und können als Indikatoren für die Luftqualität dienen. Sie nehmen Nährstoffe und Wasser aus der Luft auf und verfügen über keine Ausscheidungsorgane, weswegen sie sehr sensibel auf Luftverschmutzungen reagieren. So besiedeln Flechten also vor allem Orte, an denen saubere Luft herrscht. Haben Sie Flechten an Bäumen? Glückwunsch, bei Ihnen ist die Luft besonders sauber!
- Lebensraum und Nahrung: Flechten bieten Lebensraum und Nahrung für eine Vielzahl von Organismen. Sie dienen als Nahrungsquelle für Insekten, Vögel und andere Tiere und bieten Lebensraum für viele kleinere Lebewesen.
- Bodenbildung und Stabilisierung: Treten Flechten auf dem Boden auf, tragen sie zur Bodenbildung bei, indem sie organische Materie ansammeln und dazu beitragen, das Substrat zu stabilisieren. Dies ist besonders wichtig in extremen Umgebungen, in denen das Pflanzenwachstum begrenzt ist.
- Feuchtigkeitsregulierung: Die Fähigkeit von Flechten, Feuchtigkeit zu absorbieren und zu speichern, kann zur Feuchtigkeitsregulierung in ihrer Umgebung beitragen, insbesondere in trockenen Ökosystemen.
- Biodiversität: Flechten tragen zur Biodiversität bei, indem sie eine Vielzahl von Lebensräumen besiedeln und eine große Vielfalt an Formen, Farben und Arten aufweisen. Sie sind ein wichtiger Bestandteil vieler Ökosysteme auf der ganzen Welt.
Wissenswertes rund um Flechten
Flechten sind erstaunliche Lebewesen, die auch vor Superlativen nicht zurückschrecken. So haben Flechten bereits Millionen von Jahren vor den Dinosauriern unsere Erde besiedelt.
- Flechten sind eine der ältesten bekannten Lebensformen auf der Erde und haben eine lange evolutionäre Geschichte. Sie sind seit mehreren hundert Millionen Jahren Teil der terrestrischen Umwelt und sind in nahezu allen Ökosystemen weltweit anzutreffen. Es gibt fossile Beweise für Flechten, die bis zu 400 Millionen Jahre alt sind.
- Weltweit kennen wir rund 25.000 Arten von Flechten, wobei angenommen wird, dass die Dunkelziffer weitaus höher liegt. In Europa kommen etwa 2.000 Flechten vor.
- Die Wachstumsgeschwindigkeit von Flechten ist recht langsam und variiert je nach Art, Umweltbedingungen und Substrat. Die jährliche Wachstumsrate kann von nur wenigen Millimetern bis zu mehreren Zentimetern reichen. Unter günstigen Bedingungen können einige Flechtenarten aber auch schneller wachsen.
- Die Lebensdauer von Flechten ist ebenfalls variabel und hängt beispielsweise von der Art, den Umweltbedingungen, der Verfügbarkeit von Nährstoffen und der Exposition gegenüber extremen Bedingungen ab. Einige Flechtenarten können durchaus mehrere Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte alt werden.
- Im Hinblick auf das Verhalten gegenüber konkurrierenden Pflanzen können Flechten sowohl mit anderen Pflanzenarten als auch mit anderen Flechten um Raum, Licht und Nährstoffe konkurrieren. Einige Flechtenarten sind Pionierarten und besiedeln karge oder unwirtliche Lebensräume, während andere Arten spezifische Lebensraumansprüche haben und sich in engen Assoziationen mit bestimmten Pflanzen entwickeln können. In einigen Fällen können Flechten auch symbiotische Beziehungen mit anderen Pflanzen eingehen, wie zum Beispiel epiphytische Flechten, die auf den Ästen oder Stämmen von Bäumen wachsen, ohne ihnen jedoch Schaden zuzufügen. Gegenüber stärker konkurrierenden Pflanzen, wie etwa Moose, ziehen Flechten aber meist den Kürzeren.
Die Flechtenarten
Flechten werden in verschiedene Arten bzw. Gruppen eingeteilt, die auf ihren morphologischen Merkmalen und ihrer taxonomischen Klassifikation basieren. Die wichtigsten Hauptgruppen sind:
- Krustenflechten (Krusten): Diese Flechten wachsen flach auf Substraten wie Felsen, Baumrinden oder Boden und haben eine krustenartige Erscheinung.
- Blattflechten (Foliose): Blattflechten haben flache, blattähnliche Strukturen und können oft von der Substratoberfläche abgehoben werden. Sie sind häufig auf Baumrinden und Steinen zu finden.
- Strauchflechten (Fruticose): Diese Flechten haben verzweigte oder fadenförmige Strukturen und können in unterschiedlichen Formen vor, einschließlich buschig, strängig oder baumartig.
- Gelbflechten (Lichenicolous): Gelbflechten leben auf oder in anderen Flechten und parasitieren sie.
- Squamulose Flechten: Diese Flechten haben schuppige oder blätterartige Strukturen und können in dichten Matten wachsen.
- Flechten mit Cyanobakterien: Einige Flechtenarten beherbergen Cyanobakterien als Fotosymbionten anstelle von Algen.
Neben den Einteilungen in Gruppen gibt es auch zahlreiche Übergangsformen und Variationen zwischen den einzelnen Gruppen.
Warum Flechten vor allem alte Obstbäume besiedeln
Flechten fühlen sich zu alten Obstbäumen besonders hingezogen. Dies liegt zum Teil an der Beschaffenheit der Baumrinde. Die Rinde bietet eine vielfältige und stabile Oberfläche, die eine ideale Basis für das Anhaften und das Wachstum von Flechten bildet. Die grobe Textur und die Spalten der Rinde bieten einen geeigneten Lebensraum, in dem sie sich ansiedeln können. Zudem bieten alte Obstbäume eine relativ stabile Umgebung für Flechten, da sie nicht durch intensive Bewirtschaftung oder Umweltveränderungen gestört werden.
Die Rinde alter Obstbäume enthält eine Vielzahl von Nährstoffen, die für das Wachstum von Flechten wichtig sind. Diese Nährstoffe können von den Flechten genutzt werden, um sich auf der Baumrinde zu etablieren und zu gedeihen. In älteren Obstbäumen ist der Wettbewerb mit anderen Pflanzen oder Organismen meist geringer, es ist somit weniger Konkurrenz zu erwarten. Darüber hinaus bieten alte Obstbäume günstige Mikroklimabedingungen für das Wachstum von Flechten. Die Umgebung in der Nähe alter Obstbäume kann Feuchtigkeit und Luftfeuchtigkeit speichern, was das Wachstum von Flechten begünstigt.
Ältere Obstbäume sind meist nicht mehr so vital wie junge. Sie produzieren weniger Abwehrstoffe und setzen wenden daher auch weniger Energie dafür auf. Hat ein junger Baum einen niedrigen pH-Wert, ist dieser für Flechten in der Regel unattraktiv, weswegen ältere Bäume als ideal angesehen werden.
Schaden Flechten Obstbäumen?
Dies kann ganz klar mit nein beantwortet werden. Flechten sind keine Schädlinge und egal, wie weit sich die Lebewesen auf den Bäumen breitgemacht haben, der Baum selbst nimmt dadurch keinen Schaden. Da Flechten keine Parasiten sind, werden dem Baum auch keine Nährstoffe streitig gemacht. Der Untergrund, also die Rinde oder die Borke, ist einzig ihr Lebensraum, um wachsen zu können. Ein Baum, der mit einer Flechte besetzt ist, kann zudem weiter wachsen und sich genauso entwickeln, wie ohne Flechte. Der Grund ist, dass Flechten nicht in den Baum eindringen und somit das Rindenwachstum nicht stören.
Flechten von Obstbäumen entfernen
Wir haben nun gelernt, dass Flechten den Bäumen nicht schaden und sogar gut für das Ökosystem sind. Es gibt also erst einmal keinen Grund, Flechten von Obstbäumen zu entfernen. Allerdings können Flechten auch Triebe und Knospen bedecken und das Pflanzenwachstum beeinträchtigen. Auch könnten sie zu Fäulnis führen, da ein übermäßiges Wachstum die Feuchtigkeitsregulierung des Baumes schädigen kann. Hinzu kommt, dass durch einen zu starken Wuchs Krankheiten und Schädlinge am Baum nicht erkannt werden könnten. Diese Möglichkeiten treten jedoch nur sehr selten auf. Nehmen Flechten an Ihren Obstbäumen Überhand, dann können Sie diese nur durch Schrubben entfernen. Achten Sie darauf, dass die Baumrinde nicht beschädigt wird. Allerdings müssen Sie damit rechnen, dass die Flechten schon nach kurzer Zeit das Terrain wieder zurückerobern.