Müssen wir bei winterlichen Temperaturen das Haus verlassen, dann ziehen wir uns warm an – Winterjacken, Schals, Mützen und Handschuhe schützen uns vor Kälte. Da Pflanzen diese Möglichkeit nicht haben, müssen Sie sich etwas einfallen lassen. Die Evolution hat dafür gesorgt, dass Pflanzen verschiedene Strategien entwickelt haben, um unbeschadet über den Winter zu kommen.
Weg mit dem alten Laub
Eine der bekanntesten Winterstrategien ist das Abwerfen der Blätter. Wenn wir uns im Herbst über bunte Wälder freuen, ist dies für Laubgehölze die Vorbereitung auf den Winter. Werden die Tage kürzer und die Temperaturen kälter, wird der Pflanze signalisiert, dass die kalte Jahreszeit nicht mehr fern ist. Zu dieser Zeit steigt die Produktion von Abszisinsäure, wodurch der Abwurf von Blättern eingeleitet wird. An der Basis des Blattstiels bildet sich eine Korkschicht, die en Transport von Wasser und Nährstoffen zum Blatt unterbricht. Noch vorhandene Nährstoffe wie Stickstoff oder Chlorophyll werden ins Holz zurückgezogen. Durch den Abbau von Chlorophyll verfärben sich die Blätter. Sobald die Trennschicht vollständig ist, reicht ein Windstoß aus, um das Blatt vom Baum zu lösen. Die Narbe am Ast wird durch eine dünne Schutzschicht versiegelt.
Der Abwurf der Blätter soll folgendes bewirken:
- Vermeidung von Wasserverlust: Da die Wurzeln im Winter durch gefrorene Böden oft kein Wasser aufnehmen können, wird durch das Abwerfen des Laubs die Wasserverdunstung reduziert. So können auch längere Trockenperioden überstanden werden.
- Schutz vor Frostschäden: Wasser in den Blattzellen könnte gefrieren und die Zellen zerstören.
- Energieeinsparung: Die Fotosyntheseleistung der Blätter nimmt im Herbst bei weniger Sonnenlicht stark ab. So kann die Pflanze die Ressourcen besser in die Stämme, die Äste und die Wurzeln verlagern.
Typische Pflanzen, die im Winter ihr Laub abwerfen sind Laubbäume wie Ahorn, Eiche, Buche, Birke und Kastanie, Sträucher wie Haselnuss, Hartriegel und Forsythie und sogar einige Nadelbäume, wie die Lärche, sind darunter zu finden.
Es gibt Pflanzen, wie zum Beispiel Efeu oder Liguster, die ihr Laub bei milden Temperaturen behalten, es aber abwerfen, wenn es besonders kalt wird. Außerdem gibt es bestimmte Pflanzen, darunter Eichen oder junge Buchen, die das abgestorbene Laub bis zum Frühjahr nicht abwerfen und sich erst bei einem Neuaustrieb dessen entledigen.
Speichern, was das Zeug hält
Bestimmte Pflanzen besitzen Speicherorgane, die sie gut durch den Winter kommen lassen. Diese Speicherorgane bieten folgende Vorteile:
- Schutz vor Frost: Da die Speicherorgane unter der Erde liegen und es dort wärmer ist, als an der Oberfläche, ist die Chance, zu erfrieren, weitaus geringer.
- Wasserspeicherung: Pflanzen können durch die Speicherung von Wasser auch längere Trockenperioden überstehen.
- Nährstoffspeicherung: Nährstoffe werden aus dem Blattgrün in die Speicherorgane geleitet und können dort bis zum nächsten Austrieb überdauern.
- Schneller Austrieb im Frühjahr: Die gespeicherte Energie ermöglicht ein schnelles Wachstum im Frühling.
Folgende Speicherorgane gibt es:
Zwiebeln
- Diese unterirdische, zwiebelartige Struktur besteht aus fleischigen Blättern oder Schuppen und enthält gespeicherte Nährstoffe, insbesondere Zucker und Stärke.
- Beispiele: Tulpen, Narzissen, Krokusse, Zwiebeln
- Vorteile: Überstehen Frost, Trockenheit und Hitze.
Knollen
- Verdickte Wurzeln oder Sprossen, die als Speicher dienen, enthalten viel Stärke.
- Beispiele: Kartoffeln, Montbretien, Gladiolen, Alpenveilchen
- Vorteile: Überleben den Winter unter der Erde, manche müssen ausgegraben werden.
Rhizome
- Der unterirdisch, meist horizontal wachsende Wurzelstock enthält Reservestoffe für die nächste Wachstumsperiode.
- Beispiele: Bambus, Ingwer, Schilf, Maiglöckchen
- Vorteile: Kann selbst aus kleinen Stücken wieder austreiben (vegetative Vermehrung) und hilft der Pflanze, sich großflächig auszubreiten.
Wurzelknollen
- Verdickte Speicherwurzeln, oft süßlich oder stärkehaltig.
- Beispiele: Karotten, Dahlien, Süßkartoffeln, Maniok
- Vorteile: Speichert Energie über den Winter.
Im Samen liegt neues Leben
Einjährige Pflanzen leben nur eine Vegetationsperiode und sterben danach. Um das Überleben zu sichern, nutzen sie die sogenannte Dormanz, auch als Samenruhe bekannt. Das bedeutet, dass die Pflanze Samen produziert, die den Winter auf oder in der Erde überdauern, um dann im Frühling zu keimen. Verschiedene Faktoren spielen dabei eine Rolle:
- Harte Samenschale: Manche Samen haben eine sehr dicke oder wachsartige Schale, die Wasser und Sauerstoff nur schwer durchlassen. Durch Frost, Pflanzenfraß durch Tiere oder mechanische Einwirkungen wie Regen oder Erosion, wird die Schale aufgebrochen.
- Chemische Keimhemmung: Manche Samen enthalten Keimhemmstoffe, die durch Regen oder Kälte ausgewaschen werden müssen. So wird verhindert, dass die Samen zu früh keimen.
- Kältereiz: Manche Samen keimen nur nach einer bestimmten Kälteperiode, um sicherzustellen, dass sie nicht frühzeitig keimen und erfrieren.
Beispiele für einjährige Pflanzen mit Samenruhe sind:
- Sonnenblumen – die harte Schale schützt vor Frost.
- Mohn – keimt erst nach Kälte und Feuchtigkeit.
- Kornblumen – Samen können jahrelang im Boden überleben.
- Springkraut – Samen werden mit Kraft ausgeschleudert und überwintern im Boden.
Natürliches Frostschutzmittel
Pflanzen können sich auch auf zellulärer Ebene vor Forst schützen. Dafür haben sie unterschiedliche Strategien entwickelt:
- Gefrierpunkt-Senkung durch Zucker und Proteine: Pflanzen lagern Zucker, Aminosäuren oder gelöste Salze in ihre Zellen ein. Diese Stoffe wirken wie eine Frostschutzlösung und senken den Gefrierpunkt der Zellflüssigkeit. Dadurch bleibt das Zellinnere auch bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt flüssig. Beispiele dafür sind Winterweizen, Fichten, Gräser und Moose.
- Frostschutzproteine verhindern Wachstum von Eiskristallen: Manche Pflanzen produzieren spezielle Frostschutzproteine, die sich an kleine Eiskristalle binden und verhindern, dass diese größer werden. Dadurch entstehen keine schädlichen Eisspitzen, die die Zellstrukturen zerstören könnten. Beispiele dafür sind Winterraps und bestimmte Grasarten.
- Wasserentzug aus den Zellen: Durch sogenanntes extrazelluläres Gefrieren wird Wasser aus den Zellen nach außen geleitet. Dadurch wird das Innere nicht geschädigt, da das Wasser außerhalb der Zellen in speziellen Gewebeschichten friert. Beispiel dafür ist die Fichte.
- Zellwände werden flexibler: Manche Pflanzen verändern ihre Zellmembranen, indem sie ungesättigte Fettsäuren einbauen. Diese bleiben biegsam und verhindern, dass die Zellwände bei großer Kälte brechen. Beispiele dafür sind Moose und winterharte Gräser.
Immergrüne Strategien
Immergrüne Pflanzen haben spezielle Überlebensstrategien entwickelt, um auch im Winter ihr Laub oder ihre Nadeln zu behalten. Das bedeutet, dass sie trotz Frost, Trockenheit und wenig Sonnenlicht weiter Fotosynthese betreiben können. Folgende Strategien gibt es:
- Wachsüberzug auf Blättern und Nadeln: Viele immergrüne Pflanzen verfügen über eine dicke, wachsartige Cuticula auf ihren Blättern. Diese Schicht schützt vor Wasserverlust und Frostschäden. Beispiele sind Tannen, Kiefern und Rhododendren.
- Nadelform statt große Blätter: Nadeln haben eine kleine Oberfläche, wodurch weniger Wasser verdunstet. Ihre rundliche Form schützt zudem vor Frostbrüchen. Beispiele sind Fichten und Kiefern.
- Dicke Zellwände und Frostschutzstoffe: Immergrüne Pflanzen verändern ihre Zellstruktur, um Eisbildung zu verhindern. Dickere Zellwände schützen vor Kälte, Frostschutzproteine verhindern, dass sich Eiskristalle in den Zellen ausbreiten. Zuckereinlagerungen senken den Gefrierpunkt der Zellflüssigkeit. Beispiels sind wintergrüne Kräuter, Efeu, Buchsbaum, Stechpalmen.
- Langsame Stoffwechselrate im Winter: Immergrüne Pflanzen senken ihren Stoffwechsel und Wasserverbrauch, um Energie zu sparen. Sie betreiben weiter Fotosynthese, aber in geringem Maße. Beispiele sind Kiefern, Fichten, Stechpalmen.
- Tiefe Wurzeln für Wasserversorgung: Viele immergrüne Pflanzen haben tiefe Wurzelsysteme, die auch im Winter an Waser aus dem Boden kommen. Beispiel sind Eiben und Tannen.
Schlafend durch den Winter
Auch Pflanzen können einen Winterschlaf halten, um gut durch die kalte Jahreszeit zu kommen. Während der Winterruhe, auch Dormanz genannt, werden Stoffwechsel und Wachstum auf ein Minimum reduziert. Die Winterruhe ist für mehrjährige Pflanzen wie Laubbäume (Ahorn, Buche, Eiche etc.), für Sträucher und Stauden (Himbeeren, Rosen etc.) und für Zwiebel- und Knollenpflanzen (Tulpen, Narzissen etc.) wichtig. Sie schützt vor Frostschäden, spart Wasser und Energie. Und so funktioniert der Winterschlaf bei Pflanzen:
- Einleitung der Ruhe: Kürzere Tage und sinkende Temperaturen signalisieren der Pflanze den Beginn des Winters. Laubbäume werfen die Blätter ab, Pflanzen lagern Stärke und Zucker in Wurzeln und Holz ein, der Zellstoffwechsel wird verlangsamt.
- Tiefe Winterruhe: Die Pflanze stellt das Wachstum vollständig ein. Der Wassertransport in den Leitbahnen wird minimiert, um Frostschäden zu verhindern. Frostschutzproteine und Zuckereinlagerungen schützen vor Erfrierung.
- Beendigung der Ruhe: Erst wenn bestimmte Temperaturen erreicht sind, beginnt die Pflanze wieder auszutreiben. Hormone wie Gibberelline signalisieren den Start des Wachstums. Blätter treiben aus, Knospen öffnen sich.
Isolierende Schneeschicht
Schnee wirkt wie eine natürliche Isolationsdecke, die Pflanzen vor Kälte und Frostschäden schützt. Das funktioniert durch mehrere Mechanismen:
- Wärmende Isolation: Schnee enthält viele Luftpolster, die wie eine thermische Barriere wirken. Unter einer dicken Schneeschicht bleibt die Temperatur oft über dem Gefrierpunkt, selbst wenn es draußen weiter unter 0 Grad kalt ist. Dadurch frieren empfindliche Pflanzenteile nicht ein.
- Schutz vor Austrocknung: Im Winter verdunstet Wasser langsamer, aber gefrorene Böden verhindern, dass Pflanzen neues Wasser aufnehmen können. Schnee verhindert, dass kalte Winde die Pflanzen austrocknen. Besonders wichtig ist dies für niedrige Pflanzen wie etwa Moose, Alpenpflanzen oder Kräuter.
- Schutz vor Frostwechsel: Ohne Schneedecke kann die Temperatur stark schwanken, was Zellstrukturen schädigen kann. Schnee puffert Temperaturschwankungen und schützt vor plötzlichem Frost.
- Schutz vor UV-Strahlung: Im Winter kann die Sonne durch Reflexion auf Schnee besonders intensiv sein. Viele Pflanzen profitieren von der schützenden Schneeschicht, da sie sonst durch zu starke UV-Strahlung geschädigt werden könnten.
Fehlt der Schnee, kann es zu Frostschäden, Austrocknung und zu einem frühen Austreiben kommen, was weitere Schäden bei erneutem Frost nach sich ziehen kann. Da bei uns Schnee immer seltener wird, können Sie empfindliche Pflanzen beispielsweise mit einer Mulchschicht schützen.
Die Strategien im Überblick
| Laubbäume |
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| Nadelbäume |
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| Immergrüne Pflanzen |
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| Stauden |
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| Zwiebelpflanzen |
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| Einjährige Pflanzen |
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| Zwei- und mehrjährige Pflanzen |
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